Es ist kalt geworden in Hamburg. Und es wird noch kälter. Am 1. November 2019 startete das Winternotprogramm, das bis Ende März 2020 u.a. Schlafplätze für Obdachlose bietet. Jedoch gilt dies nur von 17 Uhr bis 9.30 Uhr; ungeachtet der Temperaturen müssen Obdachlose Menschen jenseits dieser Zeiten wieder auf die Straße. Und: Aufgrund der Verhältnisse in den Unterkünften waren die 780 Plätze im Winter 2018/19 nicht ausgelastet – dennoch gab es sechs Kältetote auf Hamburgs Straßen.

Menschen auf den Straßen werden auch in diesem Winter wieder zum täglichen Bild in Hamburg gehören. Winterzeit ist Spendenzeit; so werden häufig Lebensmittel, Kleidung, Schlafsäcke uvm. von Hamburgern direkt zu Obdachlosen auf die Straße gebracht. Dies ist oft kontraproduktiv; wir bitten Euch: Schließt Euch großen, etablierten Hilfsorganisationen an, wenn Ihr helfen möchtet!

Warum?

Versetzt Euch in die Lage derer auf der Straße…: Es ist kalt, es ist nass. Oft werdet Ihr das ganze Jahr kaum wahrgenommen. Doch je näher Weihnachten rückt, desto häufiger kommen Menschen und wollen Dir Gutes tun. Du freust Dich über neue Socken, aber die Äpfel kannst Du nicht beißen. Sie werden Dir trotzdem dagelassen. „Vielleicht für später.“, sagen sie und reichen Dir ein Geschenk; eingepackt in Folie. Du kannst es nicht öffnen, weil die Finger klamm sind von der Kälte. Irgendwann später wirst Du es öffnen und ein Kurzarmhemd (nicht Deine Größe…) und eine Handvoll Nüsse finden…

Du gehst zum Gabenzaun am Hauptbahnhof; hoffst auf einen wärmenden Schal – jemand war so aufmerksam, eine DVD an den Zaun zu hängen. Du ärgerst Dich über die Gedankenlosigkeit der Menschen, freust Dich aber auch, das Krankenmobil vor Bahnhofsmission anzutreffen. Vielleicht haben sie einen Tipp für Dich, wann das Zahnmobil kommt; Zahnschmerzen plagen Dich seit Tagen; Dutzende Schoko-Weihnachtsmänner, selbstgebackene Kuchen uvm. von Menschen, die Dir Gutes tun wollten, waren wohl doch zuviel.

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Es ist 17 Uhr. Das Treiben in den Straßen wird noch bunter; der Feierabendverkehr setzt auch auf den Bürgersteigen ein. Dein Hund zuckt zusammen, denn jemand hat den Becher umgetreten, den Du für Spenden aufgestellt hast. „Geh arbeiten, statt zu saufen!“ ruft jemand, während Du die Münzen vom regennassen Boden aufsammelst. Kaum wieder in die klamme Decke eingerollt kommen fremde Menschen auf Dich zu. Sie grüßen nicht, sie rufen „Hallo! Wir haben was für Euch!!“ – und drücken Dir Schokolade und Äpfel entgegen. Die Sandalen, die sie Dir hinstellen, sind kaum hilfreich. Sie sind Ballast. Wie so Vieles, was in den kalten Wochen und Monaten „gespendet“ wird. Es ist dunkel geworden. Ein warmer Platz im Winternotprogramm ist sehr verlockend, aber Du darfst Deinen Hund nicht mit hinein nehmen.

Du willst nicht undankbar sein. Aber das alles zermürbt Dich, weil es sich allzu oft wiederholt. Der Tag war kräftezehrend; Du kauerst Dich in der Mauernische zusammen, den Hund geschützt zu Deinen Füßen. Eine Stimme sagt „Hallo!“, doch Du stellst Dich schlafend. Keine Energie mehr. Der Mann von der Straßensozialarbeit zieht weiter…

„Hilfe“ bedeutet nicht nur, Spenden abzuladen. Straßensozialarbeiter finden oft keinen Zugang mehr zu Menschen auf der Straße. Das Gegenteil von „gut“ ist „gut gemeint“. BITTE: Bringt keine aussortierten Sachen direkt zu den Menschen auf die Straße. Bitte schließt Euch etablierten Organisationen an, spendet wärmende Kleidung z.B. an Hanseatic Help.  Weitere Organisationen und deren Spendenbedarfe findet Ihr auf unserer Spendenseite (unten).

Wer sein Gewissen und seinen Schrank erleichtern will, der bringt „Spenden“ auf die Straße.
Wer helfen will – der informiert sich. Bitte helft uns helfen. Danke!

 

P.S.: Ja, auch wir (die Antikältehilfe) gehen auf die Straße. Mit 10-jähriger Erfahrung, Verbindung zu anderen Hilfsorganisationen und vielen persönlichen Kontakten.

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